Dienstag, 24. September 2013

23. Tag: Le-Grau-du-Roi nach Marseillan

Der Tag fängt äußerst GRAU an. Ideales Radelwetter. Rückenwind. Und heute gibt es guten Kaffee. Die "Notunterkunft" - so stellt sich heraus, ist gar keine Pension, sondern die Gastgeberin hat ihrer Freundin einen Gefallen getan.  Offensichtlich hatte diese wirklich Bammel davor, dass sie bei booking.com rausfliegt, oder eine negative Wertung bekommt. Gut zu wissen.
Nach der Karte musste das eine aberwitzige Tour werden. Und das wurde sie auch. Denn gleich nach La Grande-Motte wollte ich auf den Rhonekanal, der bis Séte, geht stoßen und an ihm entlang radeln.
Aber zuerst kam La Grande-Motte (der große Kloß, sagt das Online-Wörterbuch, passt irgendwie). Das War wirklich der große Klops. So etwas habe ich noch nicht gesehen.
Standen die letzten beiden Tage unter dem Motto: "Aus der Romanik - durch die Botanik" -  so  landete ich heute in einer Parallelwelt:


Die nächste halbe Stunde verbrachte ich damit, mir die Frage zu stellen, was wohl die Architekten dieser "Scheibenwelt" bewogen hatte, diesen völlig neuen Stil zu erfinden. Denn "Modern"-  ist das nicht und  war es nie gewesen:
Das ist Kitsch in seiner höchsten Vollendung - Ich bin noch jetzt begeistert!!
Es ist ja nicht das erste Mal, dass Hollywooderfindungen den Weg in die Wirklichkeit finden. Dass aber eine sehr schöne Kindheits-und Jugenderinnerung von mir wirklich Beton werden sollte, das hätte ich nicht zu träumen gewagt. Es hat ein wenig gedauert, aber spätestens bei diesem Gebäude wusste ich:
Die Architekten haben nicht nur ununterbrochen gekifft, sondern dabei auch noch "die Jetsons" angeschaut, eine Hanna-Barbara Zeichentrickserie, die in der Zukunft spielt.
Und hier im "großen Kloß" - la Grande-Motte- sind die Zukunftsphantasien Hollywoods Wirklichkeit geworden.
Die darauf folgende halbe Stunde, habe ich dann damit verbracht, mir einen treffenden Namen für diesen architektonischen Stil auszudenken. Unter die ersten 5 Favouriten kamen bei mir:
"Betonkoko" - "Hysterismus" - "Mottismus"- "Delirik" . Die Nr. 1 auf meiner Liste ist "Jetsonik". Andere Vorschläge werden gern angenommen.
Das schöne an der Sache ist, dass man hier offensichtlich richtig Geld auf den Tisch legen muss, um mit seinem kleinen Bötchen hier vor Anker gehen zu dürfen.
Ausnahmsweise hat es dieses Mal die Richtigen getroffen.

Den Einstieg in den Weg neben dem Rhone-Séte-Kanal habe ich ohne Probleme gefunden
Aber nicht weit hinter dieser Brücke, großes schweres Gitter, Weg gesperrt. Verfl... das bedeutet, statt etwa 70km einiges über 90km!!
Zwei Herren, die mit mir zusammen vor dem Zaun stehen drehen um. Doch da sehe ich weit hinten ein Fahrrad auf dem gesperrten Weg, sollte der Weg vielleicht doch....
Ich beschließe zu warten. Und siehe da, eine junge Dame auf einem BMX Rad kommt hinter dem Zaun hervorgehoppelt, muss sich erst die weißen Stöpsel aus den Ohren ziehen, um mir dann in lupenreinem Spanisch zuzurufen: " Klar, kein Problem, der Weg geht durch... hasta el fondo!" Dann also das Rad um den Zaun gequetscht - und los geht' s.
Bald ist der Weg genau so, wie auf der Karte,  links ist See, dann kommt Weg, dann kommt Kanal, und hinter dem Kanal kommt wieder See. Völlig abgefahren. Nur: Was ist, wenn die Lady mich angeschmarrt hat?
So geht das Kilometer um Kilometer (auf dem rechten Bildrand sieht man, dass der Kanal nur durch eine Mauer von der Lagune getrennt ist), mal ist der Weg besser, mal schlechter. Insgeheim machte ich meinem geschundenen Gefährt alle möglichen Versprechungen, wenn es nur auf dieser Rüttelpiste durchhält-
Doch dann kommt die Überraschung schlechthin. Es hat mich ja gestern schon gefuchst, dass ausgerechnet bei den ersten Flamingos die Batterie der Kamera leer war und nun das
Flamingos ohne Ende. Was auf dem Foto zum Glück nicht rauskommt ist. So schön die Viecher sind, so hässlich können sie schreien - und viele Flamingos können noch viel hässlicher schreien. Nach einigen Kilometern war ich dann ganz froh, mich von den Schreihälsen verabschieden zu können.
In Séte verabschiede ich mich auch endgültig von der Rhone und seinen Kanälen - und lerne eine wichtige Lektion für´s Leben (siehe unten)
Séte ist eine unspektakuläre Hafenstadt, mit dem entsprechend großen Industriegebiet. Dank meiner neuen Freunde, den Anglern, komme ich völlig problemlos durch.
Und auf der anderen Seite ein neues Bild. Die nächsten 13 km radle ich quasi hinter der Düne auf einem schmalen Landsteg. Wieder: links ist Wasser, rechts ist Wasser. Doch diesmal ein perfekt organisierter Radweg. Ich bin wieder in Touriland.
Um 16:00 komme ich in  Marseillan Plage an. Das Hotel "hat auf", die Leute sind nett.
So langsam merkt man, dass die Saison zu Ende ist.

Noch sind die Cafes in der "Happy Hour" gut besucht. Ich senke den Altersdurchschnitt auf der Promenade nur unwesentlich.

Was ich mir merken muss:

18. Konditorinnen sehen zwar deutlich besser aus, aber wenn es darum geht nach dem Weg zu fragen, künftig immer nach Anglern Ausschau halten. Erstens sind sie überraschenderweise immer für ein Schwätzchen zu haben, zweitens kennen sie sich mit allen Schleichwegen zum, am und am Wasser entlang, bestens aus, drittens haben Verbotsschilder für sie nur Hinweischarakter (den halben Tag bin ich heute auf Wegen unterwegs gewesen, die für Fahrradfahrer gesperrt sind. Vielleicht hätte ich das schon früher mal versuchen sollen),viertens: Sie geben dir Hinweise mit denen du was anfangen kannst, "dann kommt das Möbelgeschäft von Miguel, da musst du dann links abbiegen.." (und so war es auch beim Möbelgeschäft ging es links hoch) und fünftens:
 Alle Angler sprechen Spanisch (das ist statistisch belegbar: von 5 befragten Anglern sprachen 5 perfekt Spanisch). Und wenn ich meine Söhne hinzurechne sogar 7 von 7!





1 Kommentar:

  1. Hier die Karte zur Tour:

    https://www.google.de/maps/ms?msid=212391177718894342648.0004e730e9c1ec7fcab13&msa=0&ll=44.229457,2.878418&spn=6.329136,13.842773

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